Warum ist eine sichere Eltern-Kind-Bindung so wichtig?
Eltern-Kind-Bindung trägt entscheidend dazu bei, wie Babies die Welt entdecken und verstehen. Vom ersten Lebenstag an ist der kleine Mensch auf ein erwachsenes Gegenüber angewiesen. Ein kleiner Säugling braucht Pflege und Nahrung rund um die Uhr, und ganz viel Wärme, Fürsorge und bedingungslose Liebe. Und das Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat.
Ein Baby ist von Beginn an auf ein erwachsenes Gegenüber angewiesen, das bemüht ist, einfühlsam seine Bedürfnisse zu erfüllen. Das ihn ansieht, mit ihm spricht. Und das versucht, die Ursache seiner negativen Gefühle zu erraten und zu ergründen, wie man diese beseitigen kann.
Gemeinsam geniessen Kind und Eltern die zufriedenen, glücklichen Momente, in denen kurz die Zeit still zu stehen scheint. Doch dann beginnt das Bedürfniskarussell sich wieder zu drehen. Mutter und Vater müssen sich in das Kind einfühlen. Mit jedem Mal lernen die Mitglieder der jungen Familie einander besser kennen. Die Eltern können ihr Kind immer besser „lesen“. Folglich wissen sie rascher, was es gerade braucht, was ihm fehlt, welche Bedürfnisse befriedigt werden sollen.
Wie entsteht eine sichere Eltern-Kind-Bindung?
Das Kind lernt gleichzeitig, allmählich Gefühle und Verhalten seiner Eltern einzuschätzen, sich darüber ein inneres Bild („inner working model“) zu machen. Es lernt somit, sich in deren Bewusstseinslage einzufühlen und deren Verhalten vorherzusehen. Es entwickelt internale Arbeitsmodelle darüber, wann welche Reaktionen von Vater und Mutter zu erwarten sind.
Und das Baby lernt auch, wie es sich selbst verhalten soll. Welchen Ton es anzuschlagen hat, um seinen Eltern mitzuteilen, ob Nahrung oder Windel oder Unterhaltung oder einfach Ruhe angesagt sind. Kind und Eltern arbeiten jetzt an einer sicheren Bindungsbeziehung zueinander. Währenddessen entwickelt sich gleichzeitig eine permanent arbeitende Feinabstimmung zwischen ihren jeweiligen mentalen Bildern darüber, wie das Gegenüber sich in bestimmten Situationen verhalten wird.
Wie schon eingangs erwähnt, ist der Säugling auf eine erwachsene Bindungsperson angewiesen, die für ihn da ist. Sie akzeptiert und liebt ihn so wie er ist, begleitet und leitet ihn im Prozess der Erkennung und allmählichen Benennung seiner positiven und negativen Gefühle. Ein Erwachsener, der dem Baby ein gutes Bindungsangebot zur Verfügung stellt, spiegelt ganz von selbst mimisch die momentane Gefühlslage, benennt sie in der gemeinsamen Interaktion und schafft so ein Gefühl der Sicherheit bei seinem kleinen Gegenüber. Eine Bindungsperson, die feinfühlig und zuverlässig ist, mit dem Kind spielt und Spaß hat, ihm vorliest, Geschichten erzählt, mit ihm die Welt neu entdeckt, seine Entwicklung begleitet, es gleichzeitig behütet und gewähren lässt, bildet eine sichere Basis für Erkundungs- und Entdeckungstouren des neugierigen kleinen Wesens. In Situationen, die Angst hervorrufen, kann es sich an die Bindungspersonen wenden und wird bei ihnen verlässlich Trost und Geborgenheit finden.
Das Baby lernt schnell dazu. Im Lauf der Zeit wird der Aktionsradius des Kindes immer größer werden. Es kann sich für längere Zeit von den Bindungspersonen entfernen, weil sein „inner working model“ die sichere Bindung an die Eltern und deren Zuverlässigkeit beinhaltet und es sich darauf verlassen kann. Sicher gebundene Kinder können ihrer Umwelt offen und neugierig begegnen.
1 Kommentar
Bindungstheorie Teil 2: Die unsichere Bindung | Praxis Dr. Susanne Zöhrer · 30. Mai 2019 um 15:51
[…] Zur Erinnerung: Das Kind entwickelt im Lauf der ersten Lebensmonate aus der erlebten Eltern-Kind-Interaktion, aus seinen eigenen Handlungen und deren Konsequenzen ein Arbeitsmodell (inner working model) über die ihm zur Verfügung stehenden Bindungspersonen. Jedes Kind hat die biologisch festgelegte Tendenz, die Nähe zu der ihm zur Verfügung stehenden Bindungsperson zu suchen und aufrecht zu erhalten. […]